Kapiteleintrag
Mit Hilfe der Kombinatorik berechnet man die Anzahl bestimmter Möglichkeiten eines Zufalls-Versuchs.
Da die Wahrscheinlichkeit eines Ereignisses durch den Bruch \(p=\frac{\text{Anzahl Treffer}}{\text{Gesamtanzahl der Möglichkeiten}}\) berechnet wird, kann man sie auch über kombinatorische Mittel berechnen.
Etwa gibt es ca. 13,9 Millionen Möglichkeiten, 6 Richtige aus 49 Zahlen vorherzusagen - die Wahrscheinlichkeit dafür beträgt also \(p=\frac1{13,9 \text{Mio}}\).
Wie man diese Anzahl berechnet und was das mit "keine Beachtung der Reihenfolge" zu tun hat, lernen wir in diesem Kapitel.
Es gibt je nach Versuchsart drei Formeln um die Anzahl der Möglichkeiten zu berechnen. Prinzipiell wird immer gefragt: "Wieviele Möglichkeiten gibt es, \(n\) Objekte auf \(k\) Positionen zu verteilen - allerdings muss man dabei zwei Eigenschaften beachten:
1. Darf ein bereits benutztes Objekt auch auf einer anderen Position auftreten?
2. Ändert sich das Ergebnis, wenn man zwei Positionen eines Versuchsausgangs vertauscht?
Man nennt diese Eigenschaften "Versuche mit/ohne Zurücklegen", bzw. "Versuche mit/ohne Beachtung der Reihenfolge".
Wir betrachten ein Beispiel:
1. Beispiel
Wieviele Möglichkeiten gibt es für ein dreistelliges Zahlenschloss, das an jeder Position die zehn Zahlen 0-9 einnehmen kann?
Dreistelliges Zahlenschloss
0-9 0-9 0-9 Möglichkeiten für die erste Position: 10 Möglichkeiten für die zweite Position: 10 Möglichkeiten für die dritte Position: 10
Insgesamt: \(10\cdot10\cdot10=10^3=1.000\) | Es gibt zehn Möglichkeiten für die erste Position des Zahlenschlosses (die Zahlen 0-9).
Für jede dieser Möglichkeiten gibt es nun zehn weitere Möglichkeiten an der zweiten Position - insgesamt gibt es für die ersten beiden Positionen also \(10\cdot10=100\) Möglichkeiten.
Auch an der dritten Stelle können wir eine der zehn Zahlen aussuchen, ergo gibt es zu jeder der 100 Möglichkeiten jeweils zehn weitere - insgesamt also \(10\cdot10\cdot10=1.000\) Möglichkeiten. |
Wie man sieht, gibt es zu jeder weiteren Position jeweils zehn weitere Möglichkeiten für das Schloss. Das ist so, weil sich die Anzahl der Möglichkeiten für eine neue Position nicht ändert: Es stehen stets die Zahlen 0-9 zur Verfügung.
Ein vierstelliges Zahlenschloss hat also \(10\cdot10\cdot10\cdot10=10^4=10.000\) Möglichkeiten, usw.
Nennen wir allgemein die Anzahl der Möglichkeiten je Position \(n\) und die Anzahl der Positionen \(k\), so gibt es \(n^k\) Möglichkeiten für das Zahlenschloss.
Bevor wir das als Satz festhalten, verinnerlichen wir uns noch schnell zwei Eigenschaften dieses Versuchs:
1. Warum haben wir für jede neue Position immer volle 10 Möglichkeiten?
Das ist so, da wir die bereits benutzten Zahlen beliebig oft wiederverwenden können. Wenn wir uns eine Kiste vorstellen, aus der wir die Zahlen jeder Position zufällig herausziehen, so würden wir die gezogene Zahl nach jedem Ziehen wieder zurück in die Kiste legen, so dass wir sie an der nächsten Stelle erneut ziehen können.
Unser Zahlenschloss-Beispiel ist also ein Versuch mit Zurücklegen.
2. Angenommen, wir schließen unser Fahrad mit der Zahlenkombination "753" ab - könnte ein Dieb, der richtig rät, dass wir die Zahlen "3, 5 und 7" verwendet haben, unser Schloss direkt knacken?
Nein! Probierte er die Kombination \(357\) aus, so würde sich das Schloss nicht öffnen - offenbar ist auch die Reihenfolge der Zahlen entscheidend!
Man nennt dies einen Versuch mit Beachtung der Reihenfolge.
Die Anzahl der Möglichkeiten \(n\) Objekte auf \(k\) Positionen zu verteilen beträgt bei einem Versuch mit Zurücklegen und mit Beachtung der Reihenfolge:
\(n^k\)
2. Beispiel (Fall 1)
Wieviele Möglichkeiten gibt es, vier Personen in einer Reihe aufzustellen?
Vier Personen in einer Reihe
Möglichkeiten für die erste Position: 4 Möglichkeiten für die zweite Position: 3 Möglichkeiten für die dritte Position: 2 Möglichkeiten für die vierte Position: 1
Insgesamt: \(4\cdot3\cdot2\cdot1=4!=24\) | An die erste Stelle unserer Schlange stellen wir eine der vier Personen, es gibt also 4 Möglichkeiten.
Da wir nun bereits eine Person benutzt haben, können wir an der zweiten Stelle nur noch zwischen drei Personen auswählen.
An dritter Stelle bleiben noch zwei Personen zur Auswahl.
Schließlich muss an die letzte Stelle die übriggebliebene Person, das ist nur eine Möglichkeit.
Insgesamt gibt es also für jede der vier Möglichkeiten an erster Stelle jeweils drei Möglichkeiten an zweiter Stelle und anschließend jeweils zwei Möglichkeiten für die dritte Position - das sind \(4\cdot3\cdot2=24\) Möglichkeiten. Die letzte Person ergibt sich aus der Wahl der drei Personen zuvor - es ergeben sich dadurch also keine weiteren Möglichkeiten. |
2. Beispiel (Fall 2)
Wieviele Möglichkeiten gibt es für eine Reihe aus vier Personen, wenn zehn Personen zur Auswahl stehen?
Vier aus zehn Personen in einer Reihe
Möglichkeiten für die erste Position: 10 Möglichkeiten für die zweite Position: 9 Möglichkeiten für die dritte Position: 8 Möglichkeiten für die vierte Position: 7
Insgesamt: \(10\cdot9\cdot8\cdot7=5.040\) | Das Beispiel funktioniert natürlich genauso: Es gibt 10 Möglichkeiten für die erste Person, danach für jede dieser zehn Möglichkeiten 9 weitere für die zweite Person (also \(10\cdot9=90\) Möglichkeiten für die ersten beiden Personen), etc.
Leider können wir jetzt nicht mehr einfach die Lösung \(10!\) (zehn Fakultät) angeben, denn das wäre ja das Produkt aller Zahlen von 10 an bis runter zur 1 - wir müssen unser Produkt aber nach vier Zahlen wieder stoppen, da es keine weitere Positionen gibt. |
Die Lösung für eine direkte Rechnung besteht darin, die "falschen" Faktoren wieder herauszukürzen. In unserem Beispiel sollen nur 4 der 10 Personen gewählt werden, wir müssen also die Faktoren ab \(10-4=6\) wieder herauskürzen.
\(\require{cancel}\frac{10!}{(10-4)!}=\frac{10!}{6!}=\frac{10\cdot9\cdot8\cdot7\cdot\cancel6\cdot\cancel5\cdot\cancel4\cdot\cancel3\cdot\cancel2\cdot\cancel1}{\cancel6\cdot\cancel5\cdot\cancel4\cdot\cancel3\cdot\cancel2\cdot\cancel1}=\frac{10\cdot9\cdot8\cdot7}1=5.040\)
Bevor wir diese Formel als Satz festhalten, untersuchen wir unser Experiment wieder hinsichtlich der oben genannten Eigenschaften.
1. Handelt es sich um einen Versuch mit oder ohne Zurücklegen?
Klar, hier wird nicht zurückgelegt. Sobald wir eine Person ausgewählt haben, steht diese für keine weitere Position mehr zur Verfügung.
2. Ändert sich das Versuchsergebnis, wenn wir die Reihenfolge ändern?
Ja - die Reihe "Anna, Beate, Christian, Dennis" ist eine andere Möglichkeit als zum Beispiel "Beate, Christian, Dennis, Anna".
Die Anzahl der Möglichkeiten \(n\) Objekte auf \(k\) Positionen zu verteilen beträgt bei einem Versuch ohne Zurücklegen und mit Beachtung der Reihenfolge:
\(\frac{n!}{(n-k)!}\)
3. Beispiel
Wieviele Möglichkeiten gibt es, eine Vierergruppe aus den zehn Personen auszuwählen?
Der gravierende Unterschied zum zweiten Beispiel besteht hier in der Reihenfolge der Versuchsergebnisse. Wie am Ende des zweiten Beispiels beschrieben, waren die Personenreihen "Anna, Beate, Christian, Dennis" und "Beate, Christian, Dennis, Anna" zwei verschiedene Versuchsergebnisse. Wenn wir wie jetzt lediglich die Gruppe aus den vier Presonen betrachten, gehören diese Möglichkeiten aber zum selben Ergebnis!
Stelle Dir dazu vor, wir würden aus zehn Schülern eine Arbeitsgruppe für ein Kombinatorik-Referat auswählen: Bestünde diese aus den Personen "Anna, Beate, Christian und Dennis" handelte es sich ja um die selbe Gruppe wie "Beate, Christian, Dennis und Anna".
Offenbar ist die Reihenfolge der Versuchsergebnisse nun nicht mehr entscheidend! Wie aber berechnen wir die Anzahl der Möglichkeiten für diese Gruppenbildung?
Nun, wir wissen bereits, dass es \(\frac{10!}{(10-4)!}=5.040\) Möglichkeiten gibt, wenn wir Vierergruppen mit Beachtung der Reihenfolge erstellen.
Unter diesen Gruppen befinden sich wie gesehen allerdings lauter für unsere Referatsteilnehmer identische Ergebnisse - wieviele sind das genau?
Dazu müssen wir uns fragen, wie viele Möglichkeiten es jeweils gibt, die vier ausgewählten Personen unterschiedlich anzuordnen, denn all diese Möglichkeiten sind bei der Gruppenbildung ja identische Ergebnisse.
Wieviele Möglichkeiten es gibt, 4 Personen anzuordnen kennen wir bereits aus dem 2. Beispiel (Fall 1) - das sind \(4!=4\cdot3\cdot2\cdot1=24\) Möglichkeiten. Unter den 5.040 möglichen Gruppen sind also je 24 Gruppen für unsere neue Frage vollkommen identisch - wir müssen die 5.040 also durch 24 teilen.
Insgesamt gibt es also \(\frac{\frac{10!}{(10-4)!}}{4!}=\frac{5.040}{24}=210\) unterscheidbare Vierergruppen, die wir aus den zehn Personen erstellen können.
Bevor wir das noch einmal zusammenfassen und als Satz für einen Versuch ohne Zurücklegen und ohne Beachtung der Reihenfolge notieren, formen wir die Formel noch schnell um, damit der Doppelbruch verschwindet:
\(\frac{\frac{10!}{(10-4)!}}{4!}=\frac{\frac{10!}{(10-4)!}}{\frac{4!}1}=\frac{10!}{(10-4)!}\cdot\frac1{4!}=\frac{10!}{(10-4)!\cdot4!}\)
Denn hier können wir noch einmal schön sehen, dass wir zu Versuchen ohne Beachtung der Reihenfolge prinzipiell die gleiche Formel benutzen, im Nenner aber ein zusätzlicher Faktor vorkommt, um die Anzahl der in der Reihenfolge unterscheidbaren Gruppen jeweils zu einer zusammenzufassen. Da es sich bei uns um Vierergruppen handelt, sind dies jeweils \(4!=24\) Gruppen - bei Fünfergruppen wären es jeweils \(5!=120\) usw.
Die Anzahl der Möglichkeiten \(n\) Objekte auf \(k\) Positionen zu verteilen beträgt bei einem Versuch ohne Zurücklegen und ohne Beachtung der Reihenfolge:
\(\frac{n!}{(n-k)!\cdot{k}!}\)
Diese Formel ist definiert als
\(\left(\begin{matrix} n \\ k \end{matrix}\right):=\frac{n!}{(n-k)!\cdot{k}!}\)
(lies: " n über k")
Auf dem Taschenrechner kannst Du diese Rechnung mit "nCr" ausführen, zu unserem Beispiel also "10nCr4".